(#38) Das Neandertal als „Coworking Space“ des 19. Jahrhunderts

in Erkrath/Neandertal/Natur

Wie wir der Düssel über einen Höhenweg folgen / Warum wir nicht so „kreuzfidel“ wie Kardinal Meisner sein können / Und warum wir den malenden und zeichnenden „Kreativen“, die vor 200 Jahren aus Düsseldorf ins „Gesteins“ pilgerten, gerne über die Schultern geguckt hätten.

Wir könnten da beginnen, wo wir auch beim letzten Mal begonnen haben, um dorthin zu gelangen, wo wir letztes Mal umgekehrt sind. Denn genau dort müsste die heutige Etappe eigentlich an unser Erlebnispfad-Erlebnis anknüpfen. Stattdessen parken mein bester Freund P. und ich dort, wo Linienbusse halten: unter der Autobahnbrücke, welche die A3 über Erkrath hinweg führt (Übergang Beethovenstraße / Mettmanner Straße). Anders gesagt: Diesmal spazieren wir nicht im Tal entlang der Düssel, sondern wählen den Höhenweg. Wir lassen unser Flüsschen für eine Weile allein, um später wieder zu ihm zu stoßen.

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Ein Wanderweg-Schild kündigt unser heutiges Wunschziel an: Neanderthal-Museum, 3 Kilometer. Normalerweise schaffen wir pro Folge gerade mal 1,5 bis 2 Kilometer, schließlich müssen wir danach auch noch zurück zum Auto. Und – wie heute – haben wir selten mehr als eine Stunde Zeit.

„Das mit dem Museum wird heute wohl nichts“, konstatiert mein bester Freund P. mürrisch.

„Na und“, sage ich, „wir sind doch Flaneure. Flaneure haben keine Eile.“

P. winkt ab: „Flaneure in Zeitnot – irgendwie passt das nicht zusammen.“

Der schweigende P. zeigt auf ein Graffito auf dem Brückenpfeiler, das auf ein Denkmal zum Fundort des Neanderthalers hinweist. Das wiederum soll sich exakt 87 Metern Entfernung befinden. Hügelaufwärts. Na dann los!

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Wir passieren das Denkmal, machen Fotos, blicken zurück. Ehrlich gesagt bestehen die kommenden 400 Meter in erster Linie aus solchen „Rückblicken.“

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„Normal”, sagt mein bester Freund P., „wenn man die Wahl hat, schaut man nun mal eher ins Tal als in den Wald. Weite Blicke ziehen uns deutlich mehr an als dichtes Unterholz …“

Im Tal sehen wir die A3, dahinter sehen wir Erkrath, und am Horizont sehen wir Düsseldorf. Machen Fotos, würden uns am liebsten hinsetzen, stumm genießen, müssen weiter.

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Warum ausgerechnet Kardinal Meisner, ehemals Erzbischof von Köln, ausgerechnet auf diesem Hügel eine Art „Gipfelkreuz“ geweiht hat, wissen wir nicht. Dafür erinnern wir uns daran, dass er ein ziemlich „konservativer“ Typ war, und wir amüsieren uns ein wenig über das Motto, mit dem er damals Erkrath und die Welt beglückte: Laut der Inschrift auf dem Stein vor uns hat er am 14. September 2000 die „Anwesenden“ (was grundsätzlich Sinn macht) und „alle Menschen“ (waren Ntv und CNN live dabei?) aufgefordert:

„SEID UND BLEIBT KREUZFIDEL“

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„Und?“, frage ich grinsend meinen besten Freund P., „bist du heute auch kreuzfidel?“

P. ist gerade dabei, etwas in sein iPhone zu tippen. „Kreuzfidel“, sagt er ein paar Sekunden später, „steht laut Duden für sehr fidel oder sehr vergnügt. Und nach dem Knallerspruch bin ich das tatsächlich. Der hat  nämlich das Potenzial zum Running Gag …“

Weiter hügelaufwärts. Links: Wald. Rechts: Erst ein Jägerzaun. Dann ein Kornfeld, das auf Besuch von einen Mähdrescher wartet. Am Horizont grüßt Düsseldorf …

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Danach knickt der Höhenweg leicht ab und verschwindet im Wald – und wir hinterher. Der Blick hinunter ins Tal lässt bereits zwischen den Bäumen unser Flüsschen erahnen.

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An „Neanderland“-Wegweisern herrscht hier kein Mangel. Es sind hunderte, naja, vielleicht Dutzende, jedenfalls mindestens fünf oder sechs seit wir vor 500 Metern losgelaufen sind. Und nach einer Weile geht es zum ersten Mal wieder bergab. Düssel, wir kommen!

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Über eine Holzbrücke überqueren wir einen Mini-Bach (Was ist die Vorstufe zu Bach? Rinnsal?), der sich zwischen Farnen und Unterholz seinen Weg Richtung Tal bahnt.

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Schließlich stehen wir an einer Weggabelung mit zwei Schildern: Eines folgt dem Höhenweg, ein anderes zeigt Richtung Tal und weist auf eine „schlechte Wegstrecke“ hin.

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Das kennen wir, das muss die „Verlängerung“ des eigentlich gar nicht so schlechten „Erlebnispfades“ sein. Kurzer „Kontrollgang“ talabwärts: Ja, er ist es, genau hier sind wir bei der letzten Etappe umgekehrt – und jetzt beginnt quasi “offiziell” die aktuelle …

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Devise: Erst mal nicht am Düssel-Ufer entlang, denn dort gibt es keinen Weg, und nach unserer Matsch-Etappe im „Urwald“ zwischen Gerresheim und Erkrath, haben wir wenig Lust auf eine Wiederholung. Um so weniger, da es in den vergangenen Tagen heftig geregnet hat. Nein, wir spazieren lieber wieder bergauf, denn laut Karte wird uns der Höhenweg früher oder später zurück zu unserem Flüsschen führen …

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Wald, Wald, Wald. Ächz, kraxel, aua. Geübte Wanderer sind wir nicht! VIelleicht hätten wir aber auch nicht in FlipFlops losmarschieren sollen. Nachdem wir wieder oben angekommen sind,  neigt sich der Pfad kurz darauf wieder bergabwärts. So hügelig war bisher noch keine Etappe …

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An einer Lichtung, gesegnet mit einer saftgrünen Wiese, gabelt sich der Weg. Wir nehmen die Abzweigung, die uns laut Google Maps die wahrscheinlichste Düssel-Nähe verspricht. Das heißt: Wir spazieren nicht entlang der Wiese, leicht bergauf, sondern wenden uns bergab, nähern uns nach einer scharfen Kurve einem Gebäude und halten uns danach rechts – und sehen: a) einen Mitarbeiterparkplatz. b) ein Firmengebäude. Aufschrift über dem Eingang: „Er-We-Pa. Davis Standard.“ Sieht nach Industrie und/oder Verwaltung aus. Kurz gegoogelt: ist es auch.

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Und dann – dort, wo das Firmengelände an die Mettmanner Straße grenzt –  haben wir endlich unser Flüsschen wieder: Keck plätschernd, durch den vielen Regen in den Tagen zuvor etwas schlammig.

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Fortan laufen wir auf einem asphaltiertem Fuß- bzw. Fahrradweg entlang der Mettmanner Straße. Ein großes Schild zeigt auch den Autofahrern, dass hier das Neandertal beginnt. Das Düssel-Ufer ist nur etwas 15 bis 20 Meter entfernt – aber ohne dass wir den Fluss sehen können. Überhaupt ziemlich urwaldig hier, besonders auf der anderen Ufer-Seite.

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Dann entfernt sich die Düssel von der Straße, und ist wieder zu sehen.

P. schaut auf sein iPhone, checkt die Uhrzeit, sagt: „Langsam wird es Zeit umzukehren, wir sind schon gut 30 Minuten unterwegs.“

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An der nächsten Kurve: ein Parkplatz. Wir finden einen schmalen Trampelfpfad, der zum etwas tieferliegenden Ufer führt.

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Ich packe etwas aus meinem Rucksack: Zwei Bücher. „Die müssen wir am Ufer fotografieren“, sage ich.

„Warum?“, fragt P.

„Weil es sich um Bücher über dieDüssel handelt, und weil man Bücher über die Düssel am besten am Ufer derselben fotografiert.“

„Sehr originell. Und was genau sind das für Bücher?“

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Ich zeige sie ihm: Eines nennt sich „Biographie der Düssel“ und ist eigentlich gar kein richtiges Buch – vielmehr ein Beiheft zu einer Dia-Reihe von 1989, die extra für den Schulunterricht konzipiert wurde und unter anderem „exemplarisch über wasserwirtschaftliche Probleme, die Arbeit von Wasserverbänden- und bauämtern“ informiert.

„Heute finde ich das ja interessant“, sagt P., „aber als Schüler hätte mich so was extrem gelangweilt.“

Das zweite Buch, das ich fürs Foto auf einem Stein am Ufer drapiere, ist ein „richtiges“ Buch: „Im Gesteins. Das ursprüngliche Neandertal in Bildern des 19. Jahrhunderts.“ Es zeigt anhand von Gemälden und Zeichnungen die ursprüngliche, wilde Landschaft des Neandertals – „Gesteins“ genannt –, bevor sie ab 1850 durch den industriellen Kalksteinabbau nach und nach zerstört und verändert wurde.

„Du musst Dir das so vorstellen“, sage ich zu P. während wir wir ein paar Meter weiter flussaufwärts auf eine Düssel-Brücke zusteuern, „dass dieses Tal in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts für die Landschaftsmaler der Düsseldorfer Kunstakademie eine Art place to be, ein Sehnsuchtsort war. Die haben hier die Natur und die Abgeschiedenheit gesucht und gefunden – und sie in ihren Bildern festgehalten.“

„Das Neandertal als eine Art Coworking Space für die Kunstzene?“ Mein bester Freund P. ist plötzlich ganz Ohr, scheint begeistert, reißt mir das Buch fast aus der Hand, beginnt darin zu blättern. „Leihst du mir das aus bis zur nächsten Etappe?“

„Meinetwegen“, sage ich, während ich die Infoschilder abfotografiere, die über den erwähnten Kalksteinabbau und über die Natur des Neandertals informieren.

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„Das Gesteins-Buch ist übrigens ein Tipp unseres nächsten Gast-Flaneurs. Aber wer das ist, verraten wir erst, wenn wir das Neanderthalmuseum erreicht haben.“

„Also heute nicht mehr“, stellt P. fest. Tatsächlich haben wir, ohne groß darüber nachzudenken, den Rückweg eingeschlagen. Der Pfad steigt sanft an, zu unserer linken sehen wir den Rest eines ehemaligen Steinbruchs mit dazugehörigem Warnschild, zu rechten eröffnet sich ein Blick auf die Düssel. Kurz darauf landen wir wieder an der Weggabelung. Ihr wisst schon: die Lichtung mit der saftgrünen Wiese. Und dann? Zurück zum Auto, raus aus dem „Gesteins“, zurück ins Düsseldorfer (Familien)Alltagsgetümmel … Ach so, eines noch: Seid und bleibt kreuzfidel! 😉

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